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Autor: Melina Lau

Wie bringt man Jugendliche in ihre Kreativität und Selbstwirksamkeit?

Im Oktober 2023 stolperte ich zufällig über eine Ausschreibung, die nicht so richtig zu meinem Job-Profil passen wollte. Dennoch schrie sie regelrecht meinen Namen: kreatives Arbeiten mit Jugendlichen im Workshopformat. Zu vermittelnde Techniken: Kreativer Ausdruck mit dem Stift. (Bullet-)Journaling, Handlettering, Sketchnoting. Zeichnen. Kreatives Schreiben. Alles Techniken, die mich jeden Tag faszinieren und schon lange begleiten. Meine Notizbücher sind mein wichtigstes Tool für Reflexion und Kreativität. Zur Arbeit mit jungen Leuten zieht es mich schon lange. „Hier ist deine Chance!“, rief diese Ausschrei(b)ung und so bewarb ich mich.

8 Monate später packe ich meinen Koffer und mache mich auf den Weg nach NRW.

Aber mal vom vorne, worum geht es hier eigentlich?

Im Juni hatte ich das große Vergnügen, eine zweiwöchige Reise ins Ruhrgebiet anzutreten. Dort war ich Teil einer besonderen Workshopreihe, die jungen Menschen die Möglichkeit bot, ihre kreativen Fähigkeiten zu entfalten und ihre innersten Botschaften auszudrücken. An insgesamt sechs Tagen durfte ich, gemeinsam mit den zwei weiteren Creative Coaches Laura Neumann (www.poezi.space) und Franka Schleipen (@frankamachtsachen_, LEA.education), mit Schüler:innen einer Schule in Unna in diesem inspirierenden Projekt namens “Botschaften, die gehört werden wollen” arbeiten. Die Workshopreihe wurde von Forever Day One (4ED1 GmbH) initiiert und konzipiert und von Lamy gesponsert. Seit November 2023 hat die Workshopreihe an insgesamt sechs Schulen deutschlandweit stattgefunden und wird ihren Höhepunkt in einer Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast finden, wo im Januar 2025 die Werke der Jugendlichen ausgestellt werden sollen. So die Idee. Meine Erfahrungen während der Workshoptage haben meine Erwartungen weit übertroffen.

Die Vision: Kreativität als Ausdrucksmittel

Durch das Schreiben und Gestalten mit der Hand können junge Menschen lernen, ihre Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und nach außen zu tragen. Die Idee der Workshopreihe ist es, sie zu ermutigen, ihre eigenen Ideen, Meinungen und Visionen über künstlerische Methoden auszudrücken. Sie sollen erleben, wie kraftvoll und befreiend es sein kann, sich kreativ auszudrücken. Es wird ein Raum geschaffen, in denen Schüler:innen Vertrauen zu sich, uns Coaches und anderen Klsssenkamerad:innen fassen können, sich ausprobieren und experimentieren können. Sie werden darin bestärkt, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu kommunizieren. Dabei stehen ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten im Mittelpunkt – sie werden als ganze Menschen wahrgenommen und erleben ein Gefühl von Zugehörigkeit und Selbstwirksamkeit.

Die Umsetzung: Raum für Achtsamkeit, Reflexion und künstlerischen Ausdruck

Losgelöst vom engen Unterrichtskorsett beschäftigten wir uns an jedem der sechs Workshop-Tage mit verschiedenen Aspekten des kreativen Ausdrucks. Themen wie Reflexion und Achtsamkeit waren zentrale Bestandteile unserer Arbeit. Gefühle, ihre Bedeutung und das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse standen im Fokus und sind ein wichtiges Tool sowohl in der Reflexionsarbeit als auch in der Kreativität. Wir halfen den Jugendlichen dabei, ihre Botschaften zu erspüren und diese durch verschiedene kreative Techniken zum Ausdruck zu bringen.

Ein Projekt mit Ausblick

Ein Höhepunkt dieses Projekts ist die geplante Ausstellung im kommenden Jahr im “Kunstpalast” in Düsseldorf. Dort werden die entstandenen Botschaften der Jugendlichen präsentiert und erhalten die Bühne, die sie verdienen. So werden die Botschaften einer breiteren Masse zugänglich und können losgelöst vom Schulkontext gehört werden. Dieses Projekt von 4ED1 und Lamy zeigt eindrucksvoll, wie junge Menschen durch kreative Methoden ihre Stimmen finden und gehört werden können.

Ein Rückblick auf die Workshop-Tage

Jeder der Workshop-Tage hatte ein anderes thematisches Überthema. Mit Wissenssnacks, Achtsamkeitsübungen, Kreativ-Challanges, gemeinsamer Reflexion und jeder Menge Inspiration & Input rund um Kunst, Schreiben & Kreativität haben wir die Jugendlichen auf dem Weg zum Finden und Ausdrücken ihrer individuellen Botschaften begleitet. Wir Coaches hatten in unseren Fähigkeiten jeweils einen etwas anderen Schwerpunkt und konnten uns so optimal gegenseitig ergänzen. Die Gruppe konnte ihre Stärken herausfinden und Neues ausprobieren. Es war beeindruckend zu sehen, wie viel Potenzial in jedem und jeder Einzelnen steckt und wie durch die künstlerischen Methoden neue, kraftvolle Botschaften entstanden sind. Das Feedback der Schüler:innen fiel sehr positiv aus und uns wurde von teils großen und kraftvollen Veränderungen, aber auch von den leisen und nicht weniger wichtigen prägenden Momenten berichtet. Wir waren begeistern davon, wie offen sich die Gruppe gezeigt hat und was für einen vertrauensvollen Raum sie mit uns gemeinsam geschaffen hat.

Aber wie kam es, dass wir eine 25 Meter lange Schulwand mit Graffiti gestaltet haben?

Ja, richtig, da war noch etwas. An den Workshop-Tagen 3 und 4 haben wir den „Markt der kreativen Möglichen“ vorgestellt. Wir haben verschiedenste Möglichkeiten des kreativen Ausdrucks demonstriert und die Schüler:innen konnten sich nach Lust und Laune ausprobieren. Bei einigen Personen zeigte sich ein Interesse für Graffiti und Street Art. Aus einer Schnapps-Idee („Wäre es nicht cool, wenn wir diese Wand da draußen besprayen würden?“) wurde tatsächlich ein handfestes Projekt, welches wir am Tag 5 und 6 zusätzlich zu den regulären Workshop-Inhalten mit den Jugendlichen umgesetzt haben. Dem Einsatz aller beteiligten Personen (seitens der Schule und der Stadt Unna, die schnell und unbürokratisch die Genehmigung erteilt haben, seitens 4ED1 und Lamy, die zusätzliches Budget bereitgestellt haben und uns Coaches, die zusätzlichen Planungsaufwand und eine Menge Woman-Power reingesteckt haben) ist es zu verdanken, dass wir den Jugendlichen diese tolle und bleibende Möglichkeit des Selbstausdrucks ermöglichen konnten. Die Graffiti-Gruppe hat zusammengearbeitet und ein Gesamtkunstwerk erschaffen, in das alle ihre Ideen haben einfließen lassen. So konnten die Jugendlichen Team-Work und Selbstwirksamkeit in ganze besonderer Form erleben.

Zu diesem Projekt gibt es so viel zu erzählen, dass es noch einen eigenen Blogartikel verdient.

Was ich für mich mitgenommen habe

Ich schreibe diesen Text gerade mal eine Woche nach Abschluss der Workshopreihe und es ist seltsam, aber ich fühle mich anders als zuvor. Mir war von vornherein klar, dass ich mich von der Komfortzone in die Wachstumszone begeben würde. Ich wollte mich mit dieser Aufgabe selbst herausfordern und in eine Richtung pushen, in die ich mich schon seit langem sehne. Nachdem die Aufregung des ersten Tages von mir abgefallen ist, war ich so präsent vor Ort, dass ich alles andere vergessen habe. Wenn ich nachmittags zurück in meine Ferienwohnung kam, war ich verblüfft, dass ich E-Mails in meinem Postfach und noch „normale Arbeit“ hatte.

Wir Coaches haben so gut miteinander gearbeitet, dass es sich skurril anfühlt, dass wir erst 6 Tage gemeinsam verbracht haben sollen. Ich bin sehr dankbar für diese wertvolle Verbindung und bin mir sicher, dass wir noch lange in Kontakt bleiben und weitere Dinge gemeinsam auf die Beine stellen werden.
Obwohl Journaling und Reflexion schon ein fester Bestandteil meines Alltags sind und ich häufig Achtsamkeit praktiziere, habe ich durch die Intensive Beschäftigung mit diesen Themen nochmal einen besseren Zugang zu mir und meinen Gefühlen gefunden. Meine Kommunikation ist achtsamer geworden und mir fällt es leichter meine Bedürfnisse wahrzunehmen. Learning through teaching.

Meine Kreativität hat sich enorm zum positiven verändert. Und ich schreibe das als Person, die ihren Lebensunterhalt seit jeher mit Kreativität verdient. Als ich vor der Gruppe über die „Angst vorm weißen Blatt“ gesprochen habe, habe ich insgeheim in mich hineingelächelt, weil ich wusste, dass ich diesen Vortrag gerade für mich selbst halte. Die Hands-on-Mentalität der Jugendlichen und das Prinzip des Beginner’s Mind haben mich sehr inspiriert. Die impulsive Kreativität meiner Co-Co Franka (Co-Co ist unsere Wortschöpfung und steht für Co-Coach 😄) hat ihr übriges dazu beigetragen, meine Verkopftheit gegenüber meinen kreativen Ideen besser ablegen zu können. Seitdem sprudelt mein Kopf noch mehr mit Ideen über als ohnehin schon. Der Unterschied? Ich finde jetzt Mittel und Wege, diese Ideen auch frei zu lassen. Das beste Beispiel ist dieser Blog-Artikel. Die Idee einen Blog zu führen, trage ich schon mit mir rum, viele viele Jahre, bevor ich überhaupt eine eigene Website, geschweige denn eine eigene Selbstständigkeit hatte. Durch die Arbeit mit diesen jungen Menschen habe ich den Input bekommen, den ich brauchte, um einfach auszuprobieren. Plötzlich habe ich einen Blog auf meiner Website eingerichtet, einfach so, ohne noch 3 weitere Jahre darüber nachzugrübeln. Was soll schon schief gehen?

Den bleibendsten Eindruck aber hat die Gruppe selbst bei mir hinterlassen. Die Jugendlichen waren so offen und reflektiert und mit jeder Menge Motivation und Tatendrang dabei. Sie haben sich voll und ganz mit uns auf die Reise eingelassen. Es hat mich sehr berührt, mit wie viel Mut und Vertrauen sich die Schülerinnen und Schüler geöffnet und verletzlich gezeigt haben.
Es waren kleine Momente (zu beobachten, wie sich Schüler:innen durch meine Skizzenbücher inspirieren lassen) oder große Momente (die Rückmeldung, dass die Jugendlichen über sich hinauswachsen konnten oder sich ihrer Stärken besser bewusst sind, als zuvor), die mich in meiner Arbeit bestätigen. Sie haben gezeigt, dass der Weg, den mein Herz einschlagen will, richtig ist. Dass mit Kunst und Kreativität Dinge in uns und um uns bewirkt werden können.

Ich glaube, so ungefähr lautet meine Botschaft, die gehört werden will.

Schlussgedanken

Die Workshopreihe “Botschaften, die gehört werden wollen” hat gezeigt, wie wichtig und wertvoll es ist, jungen Menschen einen kreativen Raum zu bieten, in dem sie ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken können. Ich bin dankbar, Teil dieses inspirierenden Projekts gewesen zu sein und freue mich auf die Ausstellung im nächsten Jahr, in der die Stimmen der Jugendlichen noch einmal laut werden. Dank der hervorragenden Konzeption und Planung der Workshopreihe durch 4ED1 und der großzügigen Unterstützung von Lamy konnten wir wirklich etwas bei und mit den Jugendlichen, aber auch in uns selbst, bewegen.

Ich hoffe, dieser Einblick in das Projekt inspiriert und zeigt, wie kraftvoll kreativer Ausdruck für Jung und Alt sein kann. Jetzt heißt es: gespannt bleiben auf weitere Updates und die kommende Ausstellung in Düsseldorf!